1. Mai 2024
Heute Feiertag, Labour Day. Alle haben frei und demonstrieren wortreich Solidarität mit der Arbeiterschaft, doch mehrheitlich wird der 1. Mai als zusätzlicher Erholungstag im Kreis der Familie begangen und beim Shopping. An Gewerkschaften und Arbeiterverbänden mangelt es nicht, sie werden allerdings von Mitgliedern der dominierenden Regierungspartei präsidiert. Woher kommt das? Bereits der Staatsgründer war als Anwalt der Arbeiterbewegung Singapurs aktiv, nachdem er in England studiert hatte. Gemäss bösen Zungen soll mit diesem Konzept die Arbeiterschaft besser kontrolliert werden. Nun, der Wirtschaftsmotor Singapurs läuft überaus rund. Die Losung «nur ein reicher Staat kann ein sozialer Staat sein» funktioniert. Selbst den vielen Wanderarbeitern geht es deutlich besser als es in ihren Heimatländern ginge. Aber westliche Massstäbe kann man bei Letzteren nicht anwenden.
2. Mai 2024
Derzeit ist es in weiten Teilen Asiens ausgesprochen heiss - "heatwave" schreien sie zum Beispiel in Bangkok. Die gefühlten Temperaturen sollen sich bei 52 Grad bewegen. Die Bevölkerung wird gebeten, sich möglichst nicht im Freien zu bewegen. Auch hier in Singapur ist es heiss, wenn auch nicht im selben Ausmass. Das mit den gefühlten Temperaturen hängt mit der hohen Luftfeuchtigkeit zusammen. Zwei Beispiele von heute habe ich bildlich festgehalten: Die 31 Grad in Singapur entsprechen etwa 37 Grad - cheibe ähnlich wie mit dem Windchill-Effekt im Winter in europäischen Gefilden - einfach umgekehrt.
3. Mai 2024
Habe mich zum besten Tellerwäscher Südostasiens entwickelt. Das ging so: Für hiesige Verhältnisse verfügen wir über eine grosszügige Wohnung. Es hat gar zwei Küchen. Eine in den Wohnraum integriert und die andere durch eine Schiebetüre abgetrennt gegen aussen. Vorhanden sind alle üblichen Geräte - bis auf den Geschirrspüler. Den Geschirrspüler könnten wir theoretisch einbauen, doch für unsere Nachmieter wäre er unnötig. Weil es vorgesehen ist, dass junge Frauen von den Philippinen oder aus Myanmar den Abwasch erledigen. Zu ihrem Job gehören weiter das Kochen, Putzen und Waschen. Hinzu kommen oft die Kleinkinderbetreuung und das Gassigehen mit den Wauwaus. An Arbeitsuchenden mangelt es nicht. Die Vermittlungsbüros siehst du an jeder Ecke. Die Wanderarbeiterinnen wohnen dann auch gleich in der Aussenküche. Diese wird ergänzt durch ein Minimini-WC-Duschräumchen und einen winzigen Schlafraum. Alles abgekoppelt von der Klimatisierung der restlichen Wohnung. Dem Brummen der Kälteaggregate jedoch erbarmungslos ausgesetzt. Ein Problem für mich. So etwas kann und will ich auf keinen Fall mitmachen. Also habe ich einen Staubsauger gekauft, für die Wäsche stehen Maschine und Tumbler bereit und das Schlafräumchen der nicht vorhandenen Maid nutzen wir als Lagerraum. Den Clou der Geschichte habe ich eingangs erwähnt: Habe mich zum Spitzentellerwäscher gemausert. Habe das Thema jetzt zwar launig verpackt, doch das Los dieser Maids erscheint mir knüppelhart. Übrigens, sollte eine schwanger werden, muss sie das Land sogleich verlassen. Immerhin schön zu beobachten, wie diese Frauen jeweils ihre freien Sonntage zusammen mit Leidensgenossinnen in Parks verbringen. Gruppenweise sieht man sie fröhlich lachen, schwatzen, essen und manchmal auch schlafen. Erstaunlich, diese Resilienz.
4. Mai 2024
In alle Himmelsrichtungen verstreut. Vier Kinder und keines liegt auf der faulen haut: Tochter eins während diesen Tagen in Weggis an einer Weiterbildung (bald am Packen für USA-Reise), Sohn an Retraite in Heiligkreuz (am Einlesen für Japan-Trip), Tochter zwei Uni Genf (Skandinavien im Visier) sowie Tochter drei in Biocamp auf malaysischer Insel (und fitten für Vulkanbesteigung auf Lombok). Also Zeit zum Chillen mit Ehefrau... will heissen, fürs Wochenende ab nach Indonesien. Ist in etwa so, wie Deutschschweizer für einen Kurztrip ins Tessin reisen. Zumindest fast - den Pass brauchst und einige Nötli in fremder Währung sind ebenfalls nicht schlecht. Heisser Geldwechsel: Man wird schnurstracks zum Millionär!
9. Mai 2024
Goldige Zeiten für Goldbesitzer. Der Kilopreis liebäugelt seit Wochen mit der Marke von 70'000 Franken. Die geopolitische Lage dürfte beim Anstieg mitspielen. Glaubt man Finanzexperten, ist jedoch primär das Reich der Mitte dafür verantwortlich. China soll derzeit ein auffällig aktiver Goldkäufer sein. Die Idee dahinter, die Chinesen wollten so ihre Devisenreserven vom US-Dollar zumindest teilweise entkoppeln. Doch nun von der grossen weiten Welt zurück in die kleine, quirlige von Little India. In diesem faszinierenden Quartier Singapurs schlendert man an unzähligen Kleinläden mit exotischen Esswaren, Kleidern und massenhaft Unterhaltungselektronik-Kram vorbei. Als echter Hingucker entpuppen sich die vielen Goldshops mit prunkvollen Auslagen. Darunter habe ich eben ein irritierendes Angebot entdeckt: Fingerring mit Hakenkreuz. Dass dieses Ding von einem völlig ahnungslosen Gestalter entworfen wurde, ist nicht anzunehmen. Ich vermute mal, dass ein geschäftstüchtiger Inder aufgeschnappt hat, wie in Europa die Linken die Rechten und umgekehrt einander regelmässig als Nazi betiteln. Bei dieser Flut von Nazis sollte doch auch ein Markt für entsprechende Accessoires existieren. So ist es natürlich nicht: Was Touristen irritieren mag, gilt im Buddhismus und Hinduismus als religiöses Glückszeichen. Das Sonnenrad ist ständiger Wegbegleiter in Asien. Es kann rechts- und linksgewinkelt sein. Zu sehen auch im Kloster Kong Meng San Phor Kark See, einem spirituellen Heiligtum, in dem die Lehren Buddhas über Weisheit und Mitgefühl gelehrt werden.
(s. Bild unten).
16. Mai 2024
Habe bei den Warendeklarationen etwas genauer hingeschaut. Singapur kann viel. Hapern tut es mit der Nahrungsmittelproduktion. Ist auch schwierig auf der begrenzten Fläche. Entsprechend muss schier alles importiert werden. Habe mir mal die Verpackungen nach ihren Herkunftsländern vorgenommen. Australien ist bei Früchten, Kartoffeln und Milchprodukten ganz gross im Geschäft. Malaysia liefert viel Gemüse, aber zum Beispiel auch Wraps. Dass Oliven und Feta aus Griechenland hergeflogen werden, erstaunt nicht wirklich. Ebenso wenig das Dänemark auf der Käseverpackung steht. Dann schon eher, dass die Konfitüre mit Polen angeschrieben ist. Ganz speziell: Frische grüne Spargeln aus Vietnam, Thailand und Mexico liegen friedlich nebeneinander im Regal. Und woher stammen wohl die Basler Läckerli?
Grosslieferant ist natürlich auch China. «Made in China» poppt überall auf, von meinem Ersatz-Veloschlauch über Medis und Elektronik-Kleinkram bis hin zu Schutzmasken. Auf den Covid-Tests steht, staun-staun, Korea. Während der Coronapandemie ist den Behörden die gewaltige Importabhängigkeit mit aller Deutlichkeit vor Augen geführt worden. Nun ist man sensibilisiert, wie schnell die Nahrungsmittelversorgung des Landes ins Wanken geraten kann. Deshalb wird die Bevölkerung dazu angehalten, soviel wie möglich selber anzupflanzen – auf ihren Balkonen und Hausdächern. Lange gefackelt wurde nicht: Grossflächig werden Starterkits mit Saatmitteln abgegeben. Bisher habe ich allerdings noch keines erhalten.
19. Mai 2024
Dort wo politisch die Musik gespielt wird, wurde der Taktstock weitergereicht: Singapur hat einen neuen Premierminister. Sein Name Lawrence Wong (51). Er gehört der People’s Action Party an, der ununterbrochen dominierenden Kraft im Einkammerparlament Singapurs. Wong ist erst der vierte Premier in der Geschichte des Landes. Durchgestartet ist Singapur unter Lee Kuan Yew (1965-1990, gestorben 2015). Dieser installierte geschickt einen Vertrauten, bis sein Sohn Lee Hsien Loong 2004 nach Studien in Harvard und Cambridge übernehmen konnte. Der ist nun nach zwanzig Jahren im Amt als Premier zurückgetreten, bleibt aber als «Senior Minister» der Politik erhalten. Mit ein Grund, weshalb unter Wong keine Abkehr von der jetzigen Politik zu erwarten ist, zumal das Erfolgsmodell Singapur kaum Kratzer aufweist. Wobei von Neo-Premier Lawrence Wong Sätze zu hören waren, die aufhorchen lassen. So sagte er unlängst: «Ich habe erkannt, dass der wirtschaftliche Aufstieg meines Landes einen hohen Preis hatte: Singapur gilt als überarbeitetes, erschöpftes Land. Vor allem junge Menschen sind nicht mehr bereit, sich permanent zu überarbeiten». Weiter fuhr er fort, beim Singapur-Traum gehe es auch um Erfüllung, Sinn und Zweck bei dem, was die Menschen tun. Letztlich gehe es um mehr als nur materiellem Erfolg nachzueifern. Eine so noch nie gehörte, schonungslose Reflexion eines Vertreters aus dem höchsten Machtzirkel.
25. Mai 2024
Es soll sie geben, Auslandschweizer, denen Wahlen und Abstimmungen in ihrem Heimatland nicht egal sind. Das Hindernis: Je nach Weltgegend treffen die Unterlagen so ein, dass sie es auf dem Postweg nicht rechtzeitig zurück in die Schweiz schaffen. Die elektronische Abstimmung wäre auch in diesem Fall die Lösung. Unverständlich, wie schwer sich Bern damit tut. Was im heiklen Finanzbereich längst Alltag ist, sollte doch bei einem einfachen Ja oder Nein keine Hexerei sein (kleiner Tipp, liebe Bundesverwaltung, der Fax kommt nicht in Frage).
Freudige Überraschung: Für den kommenden 9. Juni lagen erstmals Abstimmungs-Couverts im Briefkasten. Zuständig dafür ist die letzte Schweizer Wohngemeinde. „Theo meckert“ hat gefruchtet. Der Solothurner Stadtschreiber hat darauf professionell reagiert und betont, es sei ihm ein grosses Anliegen, dass Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer ihr Stimm- und Wahlrecht wahren könnten. Man werde die aktuelle Liste der im Ausland lebenden Stimmbürgerinnen und Stimmbürger unverzüglich mit dem Solothurner Stimmregister abgleichen. Hoffe jetzt, dass Singapore Post zügig vorwärts macht. Immerhin: Erst nach dem Abstimmungssonntag eintreffende Unterlagen sollen ungeöffnet vernichtet werden, so die offizielle Auskunft.
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