September 2024

Haushalthilfen geniessen ihren freien Tag - von einem Luxusleben können sie nur träumen
Haushalthilfen geniessen ihren freien Tag - von einem Luxusleben können sie nur träumen

 

 

1. September 2024

 

Europa schwächelt, USA vollführt präsidiale Kapriolen und Asien strebt vorwärts. Kam kürzlich in den Genuss eines Vortrags des neuen Premiers Lawrence Wong. Gleich zu Beginn schlug er einen markanten Pflock ein: «Singapur kann als Inselstadtstaat nur erfolgreich weiterexistieren, wenn wir mit der Welt verbunden sind und uns weltweiten Netzwerken anschliessen.»

Mit der Globalisierung sei Singapur zu einem wichtigen Zentrum für Finanzen, Handel und Logistik sowie Sitz multinationaler Unternehmen geworden, so Wong. «Doch inzwischen hat sich die Welt verändert. In vielen Ländern nehmen nationalistische Gefühle zu und der Protektionismus gewinnt an Boden. Da immer mehr Länder Handels-, Investitions- und Talentbarrieren errichten, gibt es Forderungen, dass Singapur dasselbe tut», fuhr der 51-jährige Wong fort. Singapur tue gut daran, diese Entwicklung zu beobachten.

Die Regierung sehe, dass einige ihren Arbeitsplatz verlieren oder Schwierigkeiten haben mitzuhalten. Der richtige Ansatz sei es, fairen Wettbewerb und faire Arbeitsbedingungen sicherzustellen, jedem Arbeitnehmer bei der Umschulung und Weiterbildung zu helfen. Aus diesem Grund wolle die Regierung soziale Auffangnetze stärken und benachteiligte Familie unterstützen. Zum Thema Solidarität sagte der Premier, die Einstellung dazu schwäche sich ab, wenn das Leben angenehmer werde. Die Menschen verlören ihren sozialen Anker und versuchten, ihre eigenen individuellen Interessen durchzusetzen, wodurch der Sinn für Gemeinschaft und gemeinsame Ziele untergraben werde. Das Internet verstärke extreme Stimmen. „Wir sehen diese Dynamik bereits in vielen Ländern auf der Welt. Im Internet bilden sich Echokammern. Polarisierende Ansichten gewinnen an Boden und die Gesellschaften werden tief gespalten. Um Singapur zusammenzuhalten, müssen wir kontroverse Themen angehen, einen Konsens anstreben, statt die Unterschiede zu betonen“, fuhr er fort. Dies beginne mit Zuhören. Es gehe darum die Kluft zwischen Menschen mit unterschiedlichen Meinungen zu überbrücken. Singapur könne nur bestehen, wenn seine Bürger sich umeinander kümmerten. Lawrence Wong schloss mit den Worten: „Um es klar zu sagen, ich biete weder Brot noch Spiele noch schnelle und einfache Lösungen. Aber ich weiss, dass wir gemeinsam die Mittel haben, uns gegen den Trend zu stellen und Singapur aussergewöhnlich zu halten. Wichtig ist, dass wir den Willen haben, auf dem aufzubauen, was uns heute ausmacht.“ 

Singapurer sind patriotisch und erweisen ihrer Nationalflagge jederzeit die nötige Ehre
Singapurer sind patriotisch und erweisen ihrer Nationalflagge jederzeit die nötige Ehre

 

 

3. September 2024

 

Die Bevölkerung Singapurs ist lebensfroh patriotisch. Entsprechend werden Häuser und Strassen reich beflaggt, wenn es auf den Nationalfeiertag 9. August zugeht (s. auch Einträge August 24).

Bis heute 3. September wurde noch nicht abgeräumt, das geschieht während den kommenden Tagen. Die Fahnen dürfen ausschliesslich während nationalen Feiertagen und besonderen Anlässen gehisst werden. Geregelt wird die Verwendung im "Singapore Arms and Flag and National Anthem Act". Die Flagge muss stets mit Respekt behandelt werden. Bei Verwendung mit anderen Fahnen muss die von Singapur zwingend an der höchsten Position wehen. Eine Frage der Ehre! Bei Missachtung setzt es eine happige Busse ab.

Eine etwas andere Geisteshaltung, zumindest keine asiatische, hat offensichtlich der aktuelle Schweizer Nationalratspräsident, so seine Aktion am diesjährigen Nationalfeiertag der Eidgenossenschaft: Der lustige Mann dürfte wohl da und dort für Kopfschütteln gesorgt haben. Singapurer sind stolz auf ihr Land, solche Provokationen sind ihnen fremd.   

 

Käme einem Singapurer nie in den Sinn
Käme einem Singapurer nie in den Sinn

 

 

 

5. September 2024

 

Habe die Geisterphase 2024 überlebt. Im asiatischen Raum eine grosse Sache, die im siebten Monat des chinesischen Jahres praktiziert wird. Also etwas zeitverzögert zu unserem Kalender. Geister haben ihre Wurzeln im Taoismus und Buddhismus. Inzwischen ist der Brauch gar allgemeines Kulturgut geworden. Vielerorts sieht man jeweils Opfergaben in Form von Ess- und Trinkwaren vor den Gebäuden, dazu brennen Räucherstäbchen ab. In Blechgefässen lodern Feuer, mit denen Kontakt zu den Toten hergestellt wird. Verbrannt werden Dinge, die von den Vorfahren besonders geschätzt wurden. Das können ein Rucksack, ein Porsche, ein Haus sein – alles in Karton nachgebaut, zu kaufen in einschlägigen Läden. Über das Feuer gelangen diese Geschenke zu den Verstorbenen. Die Lebenden sollten derweil während des Geistermonats auf der Hut sein, also sich nach Anbruch der Dunkelheit nicht an Bushaltestellen aufhalten, weil Geister gerne dort herumlungern. Während dieser Zeit sollte man auch nicht heiraten oder ein Geschäft eröffnen. Und das Schwimmen ebenfalls sein lassen, weil die cheiben Geister einen runterziehen können. Das sind bloss einige Beispiele. 

 

 

 

 

 

Opfergaben werden hingelegt und verbrannt, damit die Geister günstig gestimmt bleiben
Opfergaben werden hingelegt und verbrannt, damit die Geister günstig gestimmt bleiben

 

 

9. September 2024

 

Ein unlängst angelaufener, dreimonatiger Test soll die Flugzeiten zwischen Singapur und neun australischen Städten verkürzen. Und das geht so: Grundsätzlich folgen Flugzeuge festen Luftstrassen. Während des Versuchs können nun Piloten selber die direktesten und den Windverhältnissen entsprechend effizientesten Routen wählen. Dies soll helfen Treibstoff zu sparen, den CO2-Ausstoss zu verringern und weniger Verspätungen einzufliegen. Der Test umfasst 38 Routen, die von Singapore Airlines, Qantas, Garuda und Air New Zealand betrieben werden. Dieses Routing wird in Australien und Neuseeland bereits für Inlandflüge verwendet. International sind die Herausforderungen deutlich höher, da die Koordination über verschiedene Lufträume hinweg wesentlich komplexer ist. Die Testergebnisse sollen Klarheit schaffen, ob der Free-Route-Betrieb in Südostasien und Ozeanien weiter vorangetrieben werden kann. Konsumentenkreise fordern bereits, dass die Fluggesellschaften ihre Einsparungen an die Passagiere weitergeben, oder zumindest die Ticketpreise nicht weiter erhöhen.

 

Schneller, günstiger und umweltfreundlicher? Versuch läuft
Schneller, günstiger und umweltfreundlicher? Versuch läuft

 

 

14. September 2024

 

Das weltberühmte Oktoberfest in München startet am kommenden 21. September zum 189. Mal. Doch das Hammer-Oktoberfest in Singapur findet bereits in diesen Tagen statt. Im Swiss Club geht jetzt gewaltig die Post ab. Jedes Jahr wird ein riesiges Festzelt aufgebaut, das während fünf Tagen Festfreudige aller Nationen anlockt. Die Eintrittstickets sind extrem begehrt und gehen jeweils weg wie heisse Weisswürste. Keine Frage, auf dem tropischen Festgelände fliesst das Bier erst recht in Strömen. Lederhosen-Musiker, Alphornbläser und traditionelle Speisen heizen die Stimmung zusätzlich an. Und regelmässig hört man die Frage, weshalb es Oktoberfest heisse, obwohl im September bierselig auf den Tischen herumgetanzt wird. Nun, ursprünglich ging der Gerstensaft-Jahrmarkt tatsächlich erst im Oktober über die Bühne. Aufgrund der Wetterbedingungen und der Erntezeit wurde der Termin jedoch in die letzten Wochen des Septembers vorverlegt. Prosit!

Es lockt das wichtigste Oktoberfest in Singapur: Derzeit pilgern täglich Hunderte in den Swiss Club
Es lockt das wichtigste Oktoberfest in Singapur: Derzeit pilgern täglich Hunderte in den Swiss Club
Wieder alles picobello hergerichtet, als wäre am Vortag kein Tropfen Bier geflossen
Wieder alles picobello hergerichtet, als wäre am Vortag kein Tropfen Bier geflossen

 

 

19. September 2024

 

Die Menschen pflegen hier einen rücksichtsvollen und freundlichen Umgang. Also geduldig eine Schlange bilden, stets ein Lächeln auf den Lippen, niemand ruft laut aus, keine Rempeleien, schon gar keine Pöbeleien. Wer sich nicht beherrschen kann, verliert sein Gesicht (entsprechend habe ich noch niemanden ohne Gesicht angetroffen). Die einzigen rücksichtlosen Zeitgenossen sitzen in ihren kostspieligen Autos. Anhalten, um Fussgänger über die Strasse zu lassen, ist nicht ihr Hobby. Selbst Linienbusse tun sich schwer, wieder in den Verkehrsfluss einzufädeln. Hier vermisse ich eine der unzähligen Kampagnen, die der Staat immer wieder lanciert. Hier ein aktuelles Beispiel – aber eben, eines für Leute, die es gar nicht mehr nötig hätten. 

 

Bitte Rücksicht nehmen - aktuelle Plakat-Kampagne
Bitte Rücksicht nehmen - aktuelle Plakat-Kampagne

 

 

27. September 2024

 

Hier gibt es nebst etlichen Pflichten nämlich auch Rechte: Rund 1,5 Millionen erwachsene Einheimische haben in diesen Tagen 450 bis 850 Dollar in bar erhalten, um ihre täglichen Lebenshaltungskosten im Hochpreisland besser decken zu können. Diese Zahlungen werden an Singapurer ab 21 Jahren geleistet. Voraussetzung für das Veranlagungsjahr 2023 ist ein steuerpflichtiges Einkommen unter 34’000 Dollar. Und noch was: 650’000 Bürgern Singapurs ab 65 Jahren sollen zudem bis zu 450 Dollar auf ihre MediSave-Konten gutgeschrieben bekommen. Damit können sie prophylaktische Gesundheitsleistungen und ambulante Behandlungen bezahlen, die vom gut ausgebauten staatlichen Krankenversicherungssystem nicht abdeckt werden. Übrigens, der Staat eröffnet jedem neugeborenen Baby ein solches Konto und überweist gleich 4000 Dollar darauf.

 

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Kommentare: 1
  • #1

    Regula Marrer Walser (Samstag, 02 November 2024 04:57)

    Sehr eindrucksvoll!
    Besonders die Rede des Premiers könnte gerne zur Weiterbildung in Bundesbern verordnet werden…
    Patriotismus in gesundem Mass geht hier etwas verloren. Während die einen für meinen Geschmack zuviel Stolz auf ihren Schweizerpass demonstrieren, wagen es andere kaum mehr, unser Land zu feiern- vor lauter tja, Wokeness?
    Ich bleibe gerne an deinem Blog, lieber Theo. Und staune mit dir über den fortschrittlichen Staat, in dem du und deine Familie sich so wohlfühlen.
    Liebe Grüsse Regula