1. November 2024
Singapur ist ein teures Pflaster. In einer aktuellen Umfrage beklagen denn auch zahlreiche Angestellte, dass ihre Gehälter trotz der steigenden Ausgaben weitgehend gleichgeblieben sind. Das mache es deutlich schwieriger, die täglichen Kosten zu decken und den Lebensstandard aufrechtzuerhalten. Teurer geworden ist ganz offensichtlich nicht nur das Essen. So lautet ein Kommentar: «Die Wohnungspreise sind jetzt wirklich verrückt hoch, ich fühle mich ärmer als vor einem Jahr.» Ein anderer gesteht: „Ich esse jetzt nur noch zwei Mahlzeiten am Tag». Hauptsächlich - so schiebt er vor - weil er das gesünder finde, verhehlt jedoch nicht, dass er dabei ordentlich Geld spare. Um ihr Einkommen aufzubessern, haben manche mittlerweile zusätzliche Teilzeitjobs oder freiberufliche Tätigkeiten angenommen. Andere sind in günstigere Wohnungen gezogen. Ein Befragter rät: „Alle Ausgaben generell senken. Wenn du ein Haushaltsgerät kaufst, leiste dir ein hochwertiges Produkt, das viele Jahre hält. So kannst auch Geld sparen». Gemäss Umfrage verzichten Singapurer jetzt auf diese Dinge: Teure Kaffeeshops, Fitnessstudio-Mitgliedschaft und Netflix-Abo. Zudem geht es vermehrt zum Coiffeur in der Nachbarschaft statt in den luxuriösen Salon und der öffentliche Verkehr wird den Taxis vorgezogen. Interessant ebenfalls die Aussage: „Obwohl der Besuch von Hochzeiten eine schöne Erfahrung sein kann, habe ich festgestellt, dass dies meine Ausgaben zu sehr in die Höhe treibt.“
4. November 2024
Eine grossflächige Kampagne in der U-Bahn (hier MRT = Mass Rapid Transit) und in Bussen weist gerade darauf hin, dass Betatschen gar nicht geht. Ha, wie wenn jemand überhaupt auf diese abwegige Idee käme. Jeder Mann weiss, dass bei Verstössen in Singapur nicht zehnmal ermahnt, viel Verständnis aufgebracht und bloss gut zugeredet wird.
Tausende Überwachungskameras und Augen anderer Fahrgäste lassen solche Handlungen schon gar nicht aufkommen. Also eigentlich ein nichtexistierendes Problem. Die Vermutung liegt nahe, dass es in einem Regierungs-Amt jemandem langweilig war.
6. November 2024
Zeitzone sei Dank – heute Morgen aufgestanden und ausgeruht die ersten Entscheidungen der US-Wahl abgerufen. Derweil haben sich in Europa wohl einige schläfrig die Nachtstunden um die Ohren geschlagen. Letztlich haben wir hüben wie drüben den klaren Durchmarsch des offenbar nicht kleinzukriegenden Ex-Präsidenten zum künftigen Präsidenten präsentiert bekommen. Keine Frage, das kann Schnappatmung auslösen. Aber sorry, gewählt haben eben die Amis, ungeachtet der Schlagzeilen wie «Schweizer wollen Harris» oder einem mit völlig geschichtsverzerrenden Faschisten- und Hitlerklebern dekorierten, mit vermeintlich nur dürftig getränkten demokratischen Weihen versehenen Trump. Nun, hier in Asien herrschte auch im Vorfeld medial deutlich weniger Aufregung und dies wird sich selbst nach geschlagener Schlacht nicht gross ändern. Der Zugang ist weit weniger emotional, viel eher pragmatisch. Es geht primär um die wirtschaftlichen Folgen. Was heisst diese Wahl für uns. So ist zu lesen: «Die zweite Amtszeit des ehemaligen Präsidenten Donald Trump könnte mit massiven Zollerhöhungen und einem weiteren Handelskrieg einhergehen, entsprechend mit schwerwiegenden Folgen für die chinazentrierten Produktionsnetzwerke in ganz Asien». Doch gleichzeitig wird ein Wirtschaftsexperte mit den optimistischen Worten zitiert: «Wenn es keine grosse Krise gibt, werden die südostasiatischen Länder Trump 2.0 mit einer Grimasse überstehen». Auch Singapurs Aussenminister Balakrishnan gibt sich souverän: «Wir werden uns mit den Folgen der Wahlen in Ruhe auseinandersetzen».
8. November 2024
Weihnachtszeit? Noch weit weg! Weihnachtsstimmung? Nicht im Ansatz vorhanden! Wie auch, bei grellem Sonnenschein, einheizenden einunddreissig Grad und schweisstreibender Luftfeuchtigkeit. Doch das lässt die Singapurer Geschäftswelt kalt. Der Geschenkli-Dollar muss schliesslich auch 2024 rollen. Also so früh wie möglich die Leute in ihrer eh schon vorhandenen Kauflust zusätzlich stimulieren. Die Weihnachtsbäume scheinen nicht bloss zahlreicher geworden zu sein. Sie werden auch ständig grösser, greller und üppiger dekoriert - flächendeckend, überall in jedem Shoppingcenter und davon gibt’s unzählige in der Stadt. Heute kurz in der Orchard Road gewesen. Besonders skurril: Optisch mag es gelingen, die Dekorationen auszublenden, doch akustisch ist dies unmöglich, wenn Jingle Bells in einer Endlosschlaufe aus dem Lautsprecher-Heer rieselt.
11. November 2024
Sir Mark verabschiedet sich in Singapur - die Schlagzeile machte in diesen Tagen schnell die Runde. Sport-Analphabeten werden fragen, wer bitteschön sagt da adieu? Mark Cavendish vom Profiradsport. Der 39-jährige Überflieger in Sachen Sprint liess sich gestern Sonntag am Singapore Criterium nochmals so richtig feiern. Das ist kein Zufall: Das Rennen hier in Südostasien wird unter dem Label der Tour de France ausgetragen. Und Cavendishs Name ist eng mit dem härtesten Velorennen der Welt verbunden. In diesem Jahr beendete er die Höhenmeter-lastige «Tortour» zwar als Letzter, aber er beendete sie und erst noch hoch zufrieden. Schliesslich war es ihm gelungen, den ersehnten 35. Etappensieg an der gut dreiwöchigen Frankreichrundfahrt zu ersprinten. Ein Eintrag in die Rekordbücher. Das Kunststück gelang ihm in einer der raren Flachetappen. Der Mann von der Isle of Man gewann in der Vergangenheit 17 Sprints am Giro in Italien und drei an der Spanienrundfahrt. Einmal konnte Cavendish Mailand-Sanremo für sich entscheiden. An Olympia in Rio holte er in der Halle Silber. Auf der Rundbahn gabs zudem drei Weltmeistertitel. Prestigeträchtiger: An der Strassenweltmeisterschaft 2011 liess er sich ebenfalls die Goldmedaille umhängen. Damit rangiert Cavendish im «All time wins ranking» hinter dem legendären Eddy Merckx auf dem zweiten Platz. Für die Leistungen im und neben dem Sport, wurde er im vergangenen Monat von Prinz William zum Ritter geschlagen. Jetzt hat Cavendish im Singapurer Abschiedsrennen ein letztes Mal alle seine kameradschaftlich-flott mitfahrenden Konkurrenten geschlagen.
16. November 2024
Mensch Meier: Die Sorge ist selbst im fernen Singapur angekommen: In der Schweiz herrsche langsam aber sicher ein ungemütliches Gedränge. Ist die Zehnmillionen-Grenze tatsächlich bald Schnee von gestern? Besonders kühne Analysten seien gar der Ansicht, dass es locker noch ein paar Milliönchen Menschen mehr vertragen würde. Nun, auch die Bevölkerung Singapurs wächst. Erstmals wurde unlängst die Sechs-Millionen-Marke überschritten. Der Zuwachs ist hauptsächlich auf den Anstieg der nicht ansässigen Bevölkerung zurückzuführen. Sie nahm gegenüber dem Vorjahr auf 1,86 Millionen zu. Singapur ist auf Wanderarbeiter angewiesen, die auf Baustellen und in Haushalten tätig sind. Das sind eben keine Jobs, die Singapurer wollen oder in der benötigten Zahl besetzen können. Die Einheimischen streben besser bezahlte Jobs in der Verwaltung, dem umfangreichen Dienstleistungssektor und der Forschung an. Dort ist die Nachfrage weiterhin hoch, die Arbeitslosigkeit entsprechend tief.
Gemäss der gegenwärtigen Wachstumsrate rechnet man in Singapur mit einer Bevölkerung von 6,4 Millionen im Jahr 2030. «Wir planen jedoch für eine Bevölkerungsgröße von 6,9 Millionen Menschen. Wir wollen genügend Wohnraum schaffen, für genügend öffentliche Verkehrsmittel sorgen und eine ausreichende Infrastruktur haben», so der zuständige Minister. Er betonte zudem, dass Singapur als zukunftsgerichtete Wirtschaft weiterhin qualifizierte Arbeitskräfte ins Land holen müsse. Gleichzeitig erinnerte er daran, dass gering qualifizierte Arbeitskräfte keine Angehörige mitbringen dürfen. Dadurch sei die Zahl der Nichtansässigen deutlich geringer als anderswo. Das alles hört sich nach einer Strategie an und nicht einfach dem plan- und machtlosen Hinnehmen einer Entwicklung. Da sag ich doch mal: «Hallo Schweiz, Heft in die Hand nehmen».
Übrigens: 2023 verzeichnete Singapur unter den Staatsangehörigen weniger Geburten und Eheschließungen. Der Anteil der Senioren dagegen nahm weiter zu.
20. November 2024
Die Sauberkeit im Untergrund-Verkehr basiert auf den Knallhart-Regeln: Kein Essen, keine Getränke, Rauchverbot, keine entflammbaren Gegenstände und vor allem keine Durians. Durians? Das sind extrem geruchsintensive, um nicht zu sagen stinkende Früchte – ätsch grusig für europäische Nasen, echt. Sie sind etwa so gross wie ein Handball und es gibt tatsächlich Menschen, die diese nicht ganz billigen Dinger mit Genuss verschlingen. Zum Glück haben sie in der U-Bahn nichts verloren.
26. November 2024
Das hätte ich wirklich nicht gedacht: Rund 17000 Jugendliche im Alter von 15 bis 24 Jahren hängen einfach rum – und das in Singapur. Sie besuchen keine Schule, sind in keiner Ausbildung und arbeiten auch nicht. «Das ist besorgniserregend», so Eric Chua, Staatssekretär für Soziales. «Diese jungen Menschen schöpfen ihr Potenzial nicht aus und laufen grosse Gefahr, gesellschaftlich komplett ausgegrenzt zu werden», ergänzte er an der ersten Youth Outreach Conference. Rund 300 Sozialarbeiter, Pädagogen und politische Entscheidungsträger nahmen an der dreitägigen Konferenz teil. Man müsse die Unterstützung problematischer Jugendlicher wesentlich gezielter angehen, hiess es von Seiten der Teilnehmer. Chua zeigte sich optimistisch. Es sei bereits mehrfach gelungen, solche Jugendliche wieder zu integrieren, aber es könne noch deutlich mehr getan werden. Da Singapur erkannte Probleme nicht bloss bewirtschaftet, sondern auch gezielt löst, dürften die Zahlen der Rumhänger künftig bestimmt reduziert werden.
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